Die Geburtsstätte der Bergführerschaft

Die Geschichte der Bergführer beginnt in Grindelwald. Eingebettet in die unvergleichlichen Berge des Berner Oberlandes ist Grindelwald bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts ein Eldorado für Abenteurer und hat einige der berühmtesten Bergführer seinerzeit hervorgebracht.

Lange Zeit mieden es die Menschen, die Berge zu erkunden. Denn dort oben wimmelte es bekanntlich von bösen Geistern, Riesen und weiteren furchterregenden Sagengestalten. Erst vor rund 250 Jahren begannen sich erstmals Naturwissenschaftler mit den Bergen und vor allem der Gletscherwelt zu beschäftigen. Zum anfänglichen Interesse an der Forschung gesellte sich dann die Abenteuerlust. Grindelwald mit seinem grossartigen Panorama und den bis in den Talkessel vorstossenden Gletschern zog eine bunte Schar aus aller Welt an, ab Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend auch bergbegeisterte Engländer.

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Geburt eines neuen Berufs

Um das Bergabenteuer heil zu überstehen, engagierten die englischen Gäste Einheimische, die ihnen den Weg wiesen und ihr Gepäck trugen. Damit war ein neuer Beruf geboren: der Bergführer. Sechs bis acht Franken Lohn pro Tag waren für damalige Verhältnisse ein sehr guter Verdienst. Die Aussicht auf das schnelle Geld lockte darum auch viele Möchtegern-Bergführer an. Wer an den Falschen gelangte, landete womöglich nicht dort, wo er hinwollte. Sein Geld war er trotzdem los.

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«Wer in einem Jahr mehr als drei schlechte Einträge hatte, dem wurde das Patent entzogen.»

Mit Patent gegen schlechten Ruf

Mit der Einführung des ersten Bergführerreglements von 1856 änderte sich das. Das Reglement schrieb mitunter vor, dass zur Ausübung des Berufs ein Patent erforderlich ist und nur jemand mit einem guten Leumund ein solches erhält. Zudem konnten die Gäste ihre Führer bewerten. Wer in einem Jahr mehr als drei schlechte Einträge in seinem paginierten Führerbuch hatte, dem wurde das Patent entzogen. 

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Das goldene Zeitalter

Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte der eigentliche Durchbruch. Die Jahre 1855 bis 1865 sind auch als das goldene Zeitalter im Alpinismus bekannt. In dieses Jahrzehnt fällt die Eroberung der wichtigsten Gipfel der Alpen. Grindelwalder Bergführer erklommen mit englischen Touristen die Gipfel der Region. Die bekanntesten Bergführer ihrer Zeit waren Christen Michel (1817–1880), Peter Bohren (1822–1882) und Christian Almer (1826–1898). Die drei Alpinisten waren (teilweise zusammen) an diversen Erstbesteigungen beteiligt. Der Berühmteste unter ihnen, Christian Almer, war weit über das Berner Oberland hinaus als hervorragender, zuverlässiger Führer bekannt.

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Der Beste seiner Zeit

Dem Gletscherhirten Almer gelangen mehr als 40 Erstbesteigungen von Gipfeln, Pässen, Jochen und Graten. Einige der bekanntesten in der Region sind das Kleine Schreckhorn und der Mönch (1857), der Eiger (1858), das Grosse Fiescherhorn (1862) und das Silberhorn (1866). Beinahe wäre er auch an der geschichtsträchtigen, tödlich endenden Erstbesteigung des Matterhorns (1865) mit von der Partie gewesen. Nach einem gescheiterten Versuch mit einem der späteren Erstbesteiger soll Almer auf die erneute Anfrage geantwortet haben: «Alles, nur nicht das Matterhorn, verehrter Herr – nur nicht das Matterhorn!», und er kehrte nach Grindelwald zurück. Eine gute Entscheidung, wie sich später erwies. Erst viele Jahre und unzählige weitere Bergtouren später verstarb Christian Almer im Alter von 72 Jahren in Grindelwald am Fusse seiner geliebten Berge. Sein Beruf lebt bis heute weiter.